Johann Wilhelm Kellner von Zinnendorf – ein Begründer der deutschen Freimaurerei

Vortrag anlässlich des Gästeabends am 18.01.2016 von Br. Dr. Martin Keil:

Die Freimaurerei hat viele Wurzeln. Antike Philosophen und Mysterienbünde, Religionen und die europäische Aufklärung lieferten Inhalte und Maximen, die die moderne Freimaurerei geprägt haben. Immer wieder traten Männer auf, die der Freimaurerei neue Impulse gaben und die sich als Begründer neuer Lehrarten einen Namen machten. Einer dieser Begründer war Johann Wilhelm Kellner von Zinnendorf

Seine Persönlichkeit war zu Lebzeiten stark umstritten. Das ist zu einem großen Teil auf den heftigen Systemkampf innerhalb der in Deutschland noch jungen Freimaurerei seiner Zeit zurückzuführen, in dem er eine hervorragende Rolle spielte, wohl aber auch auf seine streitbare Persönlichkeit und seine unduldsame Natur. Wir Heutigen, die wir die gesellschaftlichen Verhältnisse seiner Zeit im allgemeinen und auch die damaligen heftigen Kämpfe um den richtigen Weg der noch jungen Freimaurerei nur aus Dokumenten seiner Zeitgenossen mehr oder weniger zuverlässig erahnen können, halten uns mit Kritik an seinem Charakter besser zurück. Wir müssen wohl auch eingestehen, dass es  gerade die von einigen seiner Zeitgenossen kritisierten Charaktereigenschaften waren, die zum Erfolg seiner Bemühungen um die Freimaurerei und um die Verbesserung des Sanitätswesens in Preußen trotz Intrigen und Kritik führten. Wir würdigen deshalb gern und aufrichtig seine Verdienste um die Freimaurerei und seine von freimaurerischem Geist getragenen Bemühungen um die Verbesserung der Situation der ihm anvertrauten Soldaten, Verwundeten und Invaliden.

J.W. von Zinnendorf
Bildquelle: Wikipedia

Johann Wilhelm wurde am 10. August 1731 in Halle geboren. Zinnendorf wuchs in einem gut bürgerlichen wohlhabenden Umfeld auf. Besonders interessierte er sich in seiner Jugend für wissenschaftliche Studien der Medizin und der Mechanik. Er verfasste mehrere Korrespondenzen an französische Gelehrte mit der Bitte um Zusendung von wissenschaftlichen Aufsätzen zwecks Selbststudium.

Zinnendorf schrieb sich 1751 als Student der Medizin in der Universität Halle ein und erlangte im Jahre 1756 die Doktorwürde. Um 1757 trat er  als Feldmedikus in die preußische Armee ein und versah in Breslau seinen Dienst in den Feldhospitälern. 1763 wurde er nach Berlin versetzt, wo er das Amt eines Oberfeldstabs- und Invalidenmedikus wahrnahm sowie Mitglied des Medizinalstabes wurde.

Johann Wilhelm Kellner von Zinnendorf war Feldmedikus im Siebenjährigen Krieg, königlich preußischer Militärarzt, Generalfeldstabsmedikus im Bayerischen Erbfolgekrieg von 1778/79 und Stifter der Großen Landesloge der Freimaurer von Deutschland und Begründer des Schwedischen Systems der Freimaurerei in Deutschland.  Beeindruckt vom erschütternden Elend der Kriegsopfer ließ er das Berliner Kriegsinvalidenhaus erbauen.

Am 7. Mai 1778 wollte Zinnendorf eine grundlegende Reform des preußischen Kriegs-Sanitätswesens durchführen. Hintergrund dieser Reform war der Mangel an Ausbildung beim medizinischen Personal in den Feldhospitälern, welcher beim Bayerischen Erbfolgekrieg eklatant zu erkennen war. Zinnendorf sprach sich für eine umfangreiche und profunde Ausbildung des medizinischen Personales aus.

In einer von Zinnendorf verfassten Lazarettordnung vom 9. Mai 1778 in Breslau heißt es im Schluss:

„Da die Arbeiten der Ärtzte und Wundärtzte insonderheit bei den Feldlazaretten, das Leben und die Gesundheit leidender Menschen und der ihrer Aufsicht, Pflege und Heilung anvertrauten Soldaten betreffen; so können dieselben dabei leichtsinnig zu Werke gehen, wenn sie kein Gewissen in sich fühlen, und öffentlich Verantwortung und Strafe scheuen. Ein Arzt oder Wundarzt bei den Königl. Feld-Lazaretten darf sein Geschäft nicht als Handwerk betrachten, wodurch er nur vermutlich Ehrentitel erschleichen, oder unnütz Geld sammeln will, welche beide doch nur eine Speise der Motten und ein Fraß des Rostes werden, sondern er muß stets eingedenk sein, daß er Gott, dem König, seinem Vorgesetzten und seinen Nebenmenschen von seinen Handlungen Rechenschaft zu geben habe (…). Daher muß er stets im Gedächtnis haben, daß er jederzeit so handele, daß er seine Seele vom Verderben gerettet sehen möge, und seine Hände rein halten können. Nur ein tugendhafter, gesitteter Arzt oder Wundarzt kann des Beistandes Gottes und des Vertrauens der Menschen würdig erkannt werden, und welcher derselben also wünschen mag, daß es ihm wohlergehe, der merke diese Worte und lasse ein dergleichen Verfahren die Richtschnur seines Lebens sein.“

Allerdings wurden seine  Reformvorschläge von seinem Vorgesetzten, Geheimrat Christian Andreas Cothenius, gänzlich ignoriert. Cothenius wollte den Zustand des Personals nicht in einem schlechten Licht vor dem König darstellen und verbot Zinnendorf weitere Schritte einzuleiten. Zinnendorf  versuchte einen Bericht an Friedrich II. zu schicken, welcher ihm über die Missstände im medizinischen Corps berichtete, dieser Bericht wurde aber abgefangen.

Zinnendorf nahm 1779, als Reaktion auf den Unwillen seines Vorgesetzten zu einer grundlegenden Reform im preußischen Kriegs-Sanitätswesen, seinen Abschied.

Soviel zu seinem Charakter, in dem Mut, Geradlinigkeit, Ehrlichkeit, aber auch Unduldsamkeit und undiplomatische Direktheit vereinigt waren.

Johann Wilhelm Kellner von Zinnendorf zählt zu den bekanntesten und aktivsten Persönlichkeiten der deutschen Freimaurerei.

Er wurde 1757 in der Loge „Philadelphia zu den 3 goldenen Armen“ seiner Vaterstadt Halle aufgenommen. Im folgenden Jahr wurde er Mitglied der Breslauer Loge „Zu den drei Totengerippen“, 1763 der Berliner Mutterloge „Zu den drei Weltkugeln“ .

Ein im gleichen Jahre beim englischen Großmeister in London unternommener Schritt zur Erlangung einer Konstitution für eine Berliner Loge schlug fehl; daraufhin  setzte sich Zinnendorf  mit schwedischen Freimaurern in Verbindung. Es ging ihm dabei um das von Karl Friedrich Eckleff begründete freimaurerische System der „Schwedischen Lehrart“ , von dem er sich die Entwicklung einer besseren, von den  irrationalen Wirrungen der „Strikten Observanz“ befreiten deutsche Freimaurerei erhoffte. Dieses System kannte er aus eigener Erfahrung, war er doch „Eques a lapide nigro“ der Strikten Observanz und Präfekt der Präfektur Templin  dieses Systems.

Als die Berliner Mutterloge „Zu den drei Weltkugeln“ zur Strikten Observanz überging, geriet er in Konflikt mit dieser. Man beschuldigte Zinnendorf zu Unrecht der Unterschlagung von Ordensgeldern und führte die persönliche Kampagne fort, als Zinnendorf offen zur Schwedischen Lehrart übertrat. Seine Absage an die Strikte Observanz erfolgte im November 1766.

Auf Grund der aus Schweden erhaltenen Akten beschloß Zinnendorf, zu einer eigenen Gründung zu schreiten. In Potsdam entstand dann 1768 die erste Johannisloge Schwedischen Systems „Minerva“. 1769 stiftete Zinnendorf selbst die Loge „Zu den 3 goldenen Schlüsseln“ in Berlin. Er war deren Vorsitzender Meister bis 1776, wurde auch Wortführender Meister der  Schottenloge „Indissolubilis“. Innerhalb kurzer Zeit entstanden zahlreiche Logen der neuen Lehrart. 1770 erfolgte die Gründung der Großen Landesloge  der Freimaurer von Deutschland; Zinnendorf, der Stifter, übernahm das Amt des Deputierten Landes-Großmeisters. 1971 erlangte die Große Landesloge die Protektion Friedrichs II. 1773 wurde die neue Großloge von der englischen Großloge anerkannt und damit regularisiert.

Zinnendorf starb am 8. Juni 1782 während einer Logenarbeit in den Armen seines Freundes und Nachfolgers Castillon.

Zinnendorfs Werk wird heute in 99 Logen von etwa 3000 Brüdern weitergeführt. Sie wirken im Sinne der Forderung unseres Bruders Johann Wolfgang von Goethe; „Edel sei der Mensch, hilfreich und gut“. Wir verstehen uns als eine Gemeinschaft, deren Ziel es ist, das Gute in uns zu fördern und zu entwickeln und durch uns in unserer Gesellschaft voranzubringen. In einer Zeit, in der der hohe Begriff „Freiheit“ zur Rechtfertigung von Egoismus, Raffgier, Verantwortungslosigkeit, ja von Kriegen missbraucht wird, können und müssen wir ein Teil jener Kräfte sein, die sich diesem Trend entgegenstellen. Wir handeln im Sinne unseres Bruders Zinnendorfs,  wenn wir durch unser Vorbild den Werten Menschlichkeit, Toleranz, Ehrlichkeit, Güte, Selbstlosigkeit, Verständnis, Hilfsbereitschaft den Platz in unserer Gesellschaft sichern, der ihnen in unserem und unserer Nachfahren Interesse zukommt.

Die Große Landesloge handelte im Sinne Zinnendorfs, als sie im Jahre 1991 in Hamburg-Eppendorf  die Zinnendorf Stiftung, Stiftung der Großen Landesloge der Freimaurer von Deutschland, ins Leben rief welche  schwerstpflegebedürftigen Menschen von 18–50 Jahren ein Zuhause bietet, nach dem Motto: „Ich wohne hier, um zu leben“.

 

 

Literatur

  • Ferdinand Runkel: Geschichte der Freimaurerei, Edition Lempertz. 2006. Reprint von 1932, ISBN 3-933070-96-1
  • Eugen Lennhoff, Oskar Poser, Dieter A. Binder: Internationales Freimaurerlexikon, Herbig, München 2006, ISBN 978-3-7766-2478-6
  • Karlheinz Gerlach: Die Freimaurer im alten Preußen 1738–1806. Die Logen zwischen mittlerer Oder und Niederrhein. Studienverlag Innsbruck 2007, ISBN 978-3-7065-4037-7, Bd. 1, S. 395
  • Friedrich August Eckstein: Geschichte der Freimaurer-Loge im Orient von Halle – Eine
  • Festgabe zur Secularfeier der Loge zu den drei Degen. Halle 1844, S. 61.